am Ende der Welt
Wir folgen weiter einsamen Strassen, magisch angezogen von unserem Ziel Ushuaia. Doch das will verdient sein…Brennender Himmel - Kaum auf Feuerland angekommen, begrüsst er uns, der brennende Himmel. Und begleitet uns Abend für Abend während unserer Zeit auf Feuerland - irgendwie passend.
Auch sonst ist das Wetterglück auf unserer Seite, wider unserer Erwartungen, begleitet uns meist Sonnenschein. Was für ein Glück wir haben! Die Herbstfarben leuchten so besonders schön und Unternehmungen in der Natur steht nichts im Wege, wenn nur die Nächte nicht so ungemütlich kalt wären… Aber für etwas haben wir ja eine Standheizung, die hier auch tatsächlich mal wieder funktioniert.
Zwischenstopp - Je südlicher wir kommen, umso malerischer wird die Szenerie. Die Strasse führt vorbei an grossen Weiden mit grasenden Schafen und durch einen Märchenwald - die knorrigen Bäume sind über und über mit weissen Flechten behangen. In Tolhuin legen wir noch einen Zwischenstopp ein und stellen uns direkt an den windigen Lago Fagnon. Doch die Himmelsfarben machen den Wind schnell vergessen.
Nach einem Frühstück mit Seeblick und dem Besuch in der populären Bäckerei im Ort, sind wir bereit.
Ushuaia, wir kommen!
Geduld ist gefragt - Aber so schnell sollen wir nicht da sein. Von Reisefreunden haben wir schon gehört, dass gerade mal wieder im ganzen Land Strassenblockaden errichtet werden, um der Unzufriedenheit mit der Regierung Ausdruck zu verleihen. Staatsangestellte haben damit begonnen, viele Sympathisanten sollen sich angeschlossen haben. Es geht unter anderem darum, dass sie nicht wollen, dass das Rentenalter von 45!! Jahren erhöht wird.
Als wir vor Ushuaia eine kilometerlange Schlange sehen, sind wir aber doch etwas überrascht. Busse und Autos stehen verlassen da, was wir als kein so gutes Zeichen erachten, es scheint länger zu dauern… Ein aufmerksamer Wartender sieht uns unsere Ungeduld wohl an und zeichnet eine rudimentäre Skizze einer «Umfahrung». Zusammen mit OpenStreetMap suchen wir sie, erklimmen unter anderem einen extrem steilen Hang und fahren fast jede der Schotterstrassen ab…
Nervensache - Anfangs glauben wir auf der richtigen Piste zu sein, aber sie führt direkt zum Zentrum des Geschehens. Aufgebrachte Männer verwehren uns die Durchfahrt. Wir nehmen’s anfangs sportlich, warten und verhandeln mal mit diesem, mal mit jenem. Einmal heisst es, die Strasse werde um acht Uhr freigegeben, dann ist es neun Uhr. Einmal heisst es, wir dürften passieren dann heisst es, wir müssen doch den ganzen Weg zurück und uns in die Schlange stellen. Unsere Geduld lässt nach, unser Unverständnis wird grösser und grösser. Nicht besser macht die Situation, dass sowohl Anwohner, wie auch Reisende mit Velos und Backpack passieren dürfen. Wir jedoch nicht Ami und John, Reisende aus Australien, stellen sich mit ihrem Sportsmobil hinter uns. Wir plaudern ein wenig mit unseren Leidensgenossen, aber John, eigentlich Engländer, ist sichtlich eingeschüchtert. Der Falklandkrieg ist hier noch immer ein ganz heisses Thema und überall ist zu lesen: «Las Malvinas son Argentinas». Er erwähnt in Argentinien nie, von wo er kommt…
Es ist mittlerweile fast dunkel, die Menge macht sich gegenseitig Mut und es wird beschlossen, dass wir nicht passieren dürfen. Unsere Sorge ist, dass die Strasse nur für Minuten geöffnet wird und wir die Durchfahrt nicht schaffen, wenn wir uns zu hinterst in die Reihe stellen müssen… Aber alles diskutieren nützt nichts, wir müssen umdrehen und uns in die Kolonne stellen, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen werden auch noch ein paar Knüppel herum geschwungen… Wir drehen also um, stellen uns in die Kolonne und nach etwas Warterei dürfen wir tatsächlich fahren. Die Demonstranten singen und klatschen und wollen uns doch tatsächlich in Ushuaia begrüssen…
Versöhnung - Am nächsten Tag beglückt uns T-Shirt-Wetter (17 Grad!) und der «Parque National Tierra del Fuego» bietet uns einen wunderbaren Stellplatz, sowie gepflegte Wanderwege durch schöne Landschaften. So ist das Erlebte schnell vergessen, wenn auch wir schon wieder ein paar Punkte abgezogen haben auf der Sympathieskala Argentiniens…
Wir geniessen Spaziergänge und unser Camping-Leben - und schiessen natürlich das obligate Foto beim Schild, das besagt am südlichsten Punkt, der via einer Strasse erreichbar ist, angekommen zu sein. Wir lassen uns die vergangene Zeit durch den Kopf gehen und sind ein wenig stolz, es bis hierhin geschafft zu haben!
Aber unsere Reise geht ja, zum Glück! noch weiter und so ist es doch ein Etappenziel und nicht DAS Ziel, das erreicht wurde.
Ushuaia ist wunderschön gelegen, eingebettet von hohen Bergen und stürmischem Meer. Von hier aus stechen die Expeditionsschiffe in die Antarktis in die See. Das können wir uns jetzt leider nicht leisten, vielleicht später einmal.
Die Stadt selber, ist so gesichtslos wie viele Städte in Argentinien und für uns deshalb nur ein kurzer Stopp.
Herbstzauber - Nach ein paar Tagen verlassen wir die Gegend - und ändern nach fast 80’000km mal wieder die Richtung, es geht nordwärts! Ob wir den Weg noch finden?!
Von Tag zu Tag verfärben sich die Blätter mehr, der Herbst ist da und verströmt seien ganzen Zauber. Wir legen nochmals einen Stopp am Lago Fagnon ein und machen eine wunderbare Wanderung zum «Windy Point», wo der See heute spiegelglatt ist. Abends sitzen wir im Aufenthaltsraum am knisternden Feuer und lassen uns Pasta und Rotwein schmecken. Es ist urgemütlich, wenn wir nur nicht wüssten, dass wir irgendwann ins kalte Auto kriechen müssen…
Wir haben noch nicht genug vom einsamen Süden, von Tierra del Fuego. Im nächsten Bericht erkunden wir auch noch den chilenischen Teil. Warum wir uns erst hier am Ende der Welt fühlen, demnächst.
rene.mehmann@gmail.com
2016-09-05 09:17:47
Hallo ihr2 Weltenbummler
Toller Bericht mit schönen Eindrücken der Stille. Die Zauberlandschaften und die herbstliche Stimmung schildert ihr sehr eindrücklich. Bald erreicht der Herbst nun auch die Schweiz. Nach einem prächtigen Wochenende beginnt die neue Woche zuerst einmal regnerisch. Herzlichen Dank für die tollen News aus der grossen weiten Welt. Beste Grüsse Rene Mehmann/Papi