Bergwelten
Wir haben uns entschieden. Für die Berge und gegen das Meer (zumindest vorerst). Wir sollen den Entscheid nicht bereuen.In der Entenschlucht - Gut erholt verlassen wir das unendliche Blau, lassen die trockenen, teils trostlosen Dünenlandschaften hinter uns. Der «Canyon del Pato» (die Entenschlucht) mit seinen unzähligen Tunnel wartet. Bereits bevor der Canyon beginnt, schimmern die Felsen in allen Farben und wir kommen durch klitzekleine Dörfer. Ein paar davon sind Geisterdörfer, in anderen leben nur noch die ältesten Bewohner. Die Naturstrasse windet sich bald spektakulär den Bergen entlang und wir kommen nur langsam voran - auch der vielen Foto-Stopps wegen.
Um das Abenteuer noch etwas zu erhöhen, merken wir kurz vor der Einfahrt in die Schlucht, dass Licht und Hupe nicht funktionieren. Für diese Etappe, neben guten Fahrkünsten, die wichtigsten Utensilien, denn die Tunnel sind unübersichtlich und stockdunkel. Zum Glück finden wir schnell heraus, wo das Problem liegt und können es behelfsmässig beheben.
Der Fahrt steht nun nichts mehr im Wege. Gespannt rollen wir voran und bestaunen die steilen Felswände, die direkt neben der Strasse steil abfallen. In den schmalen Tunnel ist kreuzen unmöglich und einer, vermutlich ja der Tourist, müsste den Rückwärtsgang einlegen… Glücklicherweise kommt uns an diesen heiklen Stellen niemand entgegen. Die grösste Gefahr auf der Strecke wird für uns das rasende Polizeiauto, dem wir gerade noch ausweichen können…
Bei den Blumenpflückerinnen - Im kleinen Ort Caraz wird Zora für ein paar «Soles» (= Sonnen= Landeswährung) von einer dicken Staubschicht befreit und wir erholen uns vom Geholper. Dann locken die türkisen Bergseen und schneebedeckten Gipfel der Cordillera Blanca im Huascaran Nationalpark. Mit 22 Bergen über 6000m ist sie nach dem Himalaya die höchste Gebirgskette der Welt.
Erstes Ziel ist die Laguna Paron. Auf dem Weg dahin sehen wir Felder voller blühender Blumen. Vor einem der Lehm-Häuser sitzt eine ganze Familie, vor sich am Boden die Blumenpracht. Wir stoppen und sind sofort herzlich willkommen. Sie sind nicht weniger neugierig als wir es sind. So sitzen wir, plaudern und werden von der Familie stets mit «Mamita» und «Papito» angesprochen. Irgendwann brechen wir auf, stoppen aber auf der Weiterfahrt noch ein paar Mal. Die Frauen in ihren traditionellen Kleidern inmitten der bunten Nelkenfelder sind einfach eine Augenweide. Und nach anfänglicher Zurückhaltung, dürfen wir einige von ihnen sogar fotografieren. Sie posieren stolz und freuen sich ebenso über das Ergebnis, wie wir.
Der malerische Gebirgssee empfängt uns mit einem Wolken-Nebel-Gemisch und der Wind pfeift uns um die Ohren. Wir suchen uns ein schönes Plätzchen und vertreiben uns die Zeit mit dem Kochen des Mittagessen. Beim Kaffee lichtet sich der Himmel, die Sonne bricht durch und ein Regenbogen sorgt dafür, dass es schon beinahe kitschig aussieht. Der Trail um den See lockt und wir erkunden ihn «per pedes».
Noch mehr Lagunen - Nochmals ein Boxenstopp und ein Treffen mit unseren Freunden Petra und Anders in Caraz und weiter. Durch kleine Dörfchen in Samstagstimmung fahren wir nichtsahnend Richtung Yungay.
Der himmelblaue VW-Bus am Strassenrand fällt auf wie ein bunter Hund und nur wenige Minuten später wird die Welt wieder zum Dorf. Hier im hintersten Ecken von Peru treffen wir völlig unverhofft auf Eli und Gorm, mit denen wir seit einiger Zeit per Mail in Kontakt standen. Das gemütliche Kawaq-Yaku-Cafe wird zum Wohnzimmer und wir verquatschen den Nachmittag. Schade nur, dass die beiden in die entgegengesetzte Richtung fahren…
Beim Eintritt in den Nationalpark müssen wir ein wenig schummeln («Neinein, wir übernachten nicht hier»), denn ansonsten müssten wir das (zu) teure Ticket kaufen, das zelten im Park offiziell für 21 Tage erlaubt. Aber wir wollen ja nur wenige Nächte bleiben, ausserdem ist der Preis für einen Platz in der Natur «ohne nichts» wirklich unverschämt. Hoffen wir nur, dass uns niemand kontrolliert…
Wir bewundern erst das in allen Nuancen schimmernde Türkis und die Polylepis-Bäume bei der Laguna Chinancocha und finden später unseren Schlafplatz an der Laguna Orconcocha. Kaum angekommen verkriechen wir uns in unser rollendes Zuhause, das Wetter ist garstig und lädt so gar nicht mehr zum Draussen sein ein… Home is where you park it!
Nichts als Serpentinen - Von alledem ist am nächsten Tag nichts mehr zu erkennen. Die Sonne lacht vom Himmel und wir erkunden zu Fuss die Umgebung. Jetzt gibt es viel Arbeit für Zora - ein steiniger Pfad windet sich Kurve um Kurve dem Himmel entgegen. Sie scheinen kein Ende zu nehmen und die Aussicht auf die beiden Lagunen weit unten wird mit jeder Kurve fantastischer. Manchmal lichten sich die Wolken und wir sehen die höchsten Berge Perus, auch den allerhöchsten, den Huascaran 6768m hoch. Wir staunen und merken gerade noch, dass wir mit 4800m einen bisherigen Höhenrekord schaffen.
Nach dem Erreichen der Passhöhe geht es auf der anderen Seite im gleichen Stil weiter, Kurve um Kurve. Den Nationalpark unkontrolliert (puuh!) verlassend, tauchen irgendwann in der Einsamkeit erste Dörfer auf. Die meisten Hütten sind sehr einfach und verstecken die herrschende Armut nicht. Ein Junge spricht uns an und bittet um ein Medikament für seine Mutter. Sie macht uns klar, dass sie Zahnschmerzen hat und natürlich schlagen wir den Wunsch nicht aus. Medizinische Versorgung ist hier nahezu inexistent…
Die Strasse wird immer schlechter, spitze Steine bohren sich in unsere Reifen. Heute haben wir irgendwie keine Lust auf das ewige Geschüttel und die Umgebung mag uns auch nicht so richtig begeistern… (Luxus-)Reisesorgen. Wir sind spontan und verwerfen unser Ziel Chavin de Huantar. Stattdessen soll es Chacas sein.
Auf dem Dorfplatz - Fast stossen wir einen Freudenschrei aus, als wir Teer erreichen. Der Blick auf Chacas sieht viel versprechend aus und so wagen wir eine Premiere- wir stellen uns, zum Schlafen mitten auf den Dorfplatz. Viele Reisende machen das, wir normalerweise nicht, da wir draussen kochen und auf eine Toilette (oder den Busch) angewiesen sind. Hier aber dürfen wir, für ein bisschen Kleingeld, die Infrastruktur des Hostels nutzen, somit kommt diese Art Schlafplatz auch für uns in Frage. Wir lassen Zora unter den wachsamen Augen des Patron zurück und gehen auf einen Streifzug. Das Flair des Ortes lässt sich rasch erkennen. Italienische Einwanderer sorgten für ein schmuckes Kloster und aufwändig verzierte Holzbalkone. Wirklich hübsch. Wir schlendern umher, schlürfen Kaffee, lassen meine Schuhe nähen und schauen das angebotene «Artesania» (Kunsthandwerk) an, leider nicht ganz nach unserem Geschmack.
Abends liegen wir im Bett und lauschen den Geräuschen um uns herum. Komisch und schön zugleich. Komisch, Fremde so nah zu wissen, schön, sich als Teil dieses Dorfes, dieser Gemeinschaft, dieser Welt zu fühlen…
Roadtrip again - Frühmorgens lassen wir das gemütliche Dorf hinter uns und fahren wieder in die Höhe. Der Olympica Pass ist diesmal unser Ziel, respektive Huaraz, das dahinter liegt. Die geteerte Strasse lässt uns gut vorankommen. Die 4x4 Piste über die Passhöhe scheint geschlossen und so nehmen wir die bequeme Variante - den Tunnel. Wie lange ist es her, dass wir durch einen Tunnel fuhren? Schon lange und fast ist uns ein wenig mulmig. Natürlich geht alles gut und bald ist die Passhöhe mit 4890m erreicht. Wir sind allein unterwegs und uns kommen fast keine anderen Autos entgegen. So können wir uns etwas mehr auf die Landschaft um uns herum konzentrieren. Die schneebedeckten Gipfel und grünen Ebenen mit den vielen Tieren bewundern. Auf Fahrten wie diesen wird es nicht langweilig und manchmal bleibt uns vor lauter Staunen der Mund offen stehen. Die Welt ist voller Schönheit und wir können kaum genug davon bekommen.
Huaraz haben wir uns wieder einmal kleiner und weniger hektisch vorgestellt, als es dann tatsächlich ist… Wieder kommt eine Planänderung zum Zug und wir lassen die Stadt nach einem Mittagessen hinter uns.
Wo es weiter geht…?! Im nächsten Bericht erfahrt ihr es.
Lisbeth und Leo Knecht
2016-03-13 19:33:59
Hallo Zusammen. Ja Peru mit seinen Berg und Talfahrten gab auch uns viel zu sehen und zu bestaunen. Auch uns hat das Land gut gefallen. Ist ein vielseitiges und südwärts auch ein wüstenhaftes Land. Geniesst es weiterhin. Wir freuen uns jetzt schon auf weitere Berichte und tolle Fotos. Im Moment geniessen wir unsere Familie in der Schweiz, freuen uns aber auch wieder auf die Weiterreise Richtung Brasilien. Machets guet und liebi Grüess Lisbeth und Leo
Rene Mehmann
2016-03-14 08:26:06
Liebe Weltenbummler
Herzlichen Dank für den tollen Bericht, die eindrücklichen Bilder und das Skypen gestern Nachmittag. Wie immer berichtet ihr sehr behutsam über all die schönen Eindrücke. Es ist jedesmal faszinierend mit Euch ein Stück mitzureisen. Gefallen haben mir auch die einheimischen Frauen mit den tollen Farb- und Hutkombinationen. Dass die Landschaft sehr imposant ist wusste ich erst als ich gelesen habe wie hoch dieses Bermassiv wirklich ist. Wir wünschen frohes Reisen und weitere spannende Abenteuer. Liebste Grüsse Rene Mehmann/Papi