California
Luxusprobleme - Auf einem Campingplatz in Kroatien habe ich das Wort «verzettelt» aufgeschnappt. Ein junger, deutscher Vater nutzte die Gunst der Stunde und liess sich beim Fischausnehmen viel Zeit - er genoss die kleinkinderfreien Momente sichtlich und wurde von seiner Partnerin prompt zurechtgewiesen;) Jedenfalls gefällt mir das Wort und es umschreibt unsere Utah-Zeit perfekt. Wir haben uns da ein wenig verzettelt! Darum bleiben uns, für unseren letzten Bundesstaat Kalifornien, nur noch wenige Tage. Natürlich trumpft auch der «Golden State» mit viel Sehenswertem auf und die Routenwahl ist dementsprechend schwierig. Wir sind hin und her gerissen, ob wir wirklich noch bis San Francisco hoch wollen. Es würde bedeuten, dass wir viel fahren müssten und vernünftig ist es bestimmt nicht… anderseits, mit Zora über die Golden Gate Bridge zu fahren, das hat was! Luxusprobleme sind das, oder?!Im Tal des Todes - Wir vertagen die Entscheidung und lassen uns erst einmal vom Death Valley Nationalpark begeistern. Da erwartet uns nicht etwa eine graue, tote Ödnis, wie vermutet. Nein, es gibt vieles zu entdecken und die «Gefahr» des Verzettelns besteht auch hier. Der Start aufregend. Mitten in der Dunkelheit erklimmen wir mit Zora einen steilen Berg - auf der Suche nach einem Schlafplatz. Steiler und steiler. Das Einschätzen der Situation gestaltet sich schwierig und die ausgewaschenen Stellen verunsichern. Wir drehen um. Weiter unten werden auch nicht auf Anhieb fündig, die «Flash Flood»-Warntafeln nehmen wir ernst. Erst die alte Strasse stellt uns zufrieden, nicht zu steil, nicht zu tief gelegen, kein Flussbett in der Nähe. Perfekt.
Bei den wandernden Steinen - Den nächsten Tag beginnen wir mit der typischen Touristenroute. Wir erreichen den (vermutlich) tiefsten Punkt unserer Reise bei «Badwater» (-85.5m), balancieren über die scharfkantigen Salzkristalle beim «Devil’s Golfcourse» und werfen einen Blick in den «Ubehebe Crater». Andy kennt dies alles schon und führt mich herum, er ist aber nicht minder begeistert. Mit dem «Race Track Playa», wo sich Steine auf ominöse Art fortbewegen und eine unmissverständliche Spur hinter sich herziehen, wollen wir beide wieder Neuland betreten. Der Anblick will verdient sein! Mit gefühlten 5km/h holpern wir über die unerbittliche Wellblechpiste - ganz darauf bedacht keinen Platten einzufangen. Die Landschaft wird schöner und schöner. Wir sichten die ersten Joshua Trees und müssen hinnehmen, dass sich die Nacht schon bald über uns hermacht. Zum Glück findet sich ein Parkplatz, ganz in der Nähe der Steine. Es wird eine der ruhigsten Nächte in unserem bisherigen Leben. Die Stille ist absolut. Kein Insekt zirpt, kein Windhauch ist zu hören, kein Flugzeug zieht seine Bahnen. Fast ein wenig beängstigend, ist das!
Lange war das Rätsel ungelöst, wie sich die Steine über den trockenen Salzsee bewegen konnten. Viele Theorien waren im Umlauf, wobei die verrückteste gar ausserirdische Kräfte in Betracht zog. Umso unspektakulärer des Rätsels Lösung: in kalten Nächten gefriert der Boden des Salzsees, starke Winde können aufkommen und die Steine über die Ebene schlittern lassen. Plausibel klingt das, als wir die grossen Steine zentimeterweit im Sand versunken sehen, ist es dennoch nur schwer vorstellbar. Ein aussergewöhnlicher Ort ist es allemal.
Komische Kautze - Die Einsamkeit des Death Valley zog seit jeher komische Kauze an und nicht wenige hatten etwas zu verstecken. Der Gauner Walter E. Scott beispielsweise. Er muss ein guter Schauspieler gewesen sein. Mehreren Leuten mit Geld versicherte er glaubhaft, dass sie in seine imaginäre Goldmine investieren sollten. Dank dem Schneeballsystem flog sein Schwindel nicht auf und ihm blieb genug Geld, um mitten in der feindlichen Wüste «Scottys Castle» zu bauen - ein Schloss mit allen Schikanen.
Nicht allen war so viel Reichtum vergönnt. Um verschiedene Mienen entstanden kleine Dörfer, die mit dem Ausbleiben des Erfolges ebenso schnell wieder verschwanden. Trümmern erinnern an ihre Existenz.
Auf der «Titus Canyon Road» kommen wir noch tiefer in die Einsamkeit. Vorbei an bunten Felsen, über steil abfallende Felswände und schliesslich durch den schmalen, kurvenreichen Canyon, wo wir gerade durchpassen. Auch diese Strasse meistert Zora ohne Murren und beschert uns einen coolen Offroad-Trip. Es gäbe noch viel mehr zu erleben hier, aber leider drängt die Zeit…
Ihr ahnt es, wir haben uns entschieden und wollen unvernünftig sein! Auf nach San Francisco!
Unterwegs - Weiter über graue Berg- und Tallandschaften, Sanddünen in der Ferne, Tankstellen wo der Diesel rekordhafte 5.30$(1 gallon = 3.78l) kostet - zum Glück müssen wir nicht tanken. Die Strasse schlängelt sich über einen Pass und wieder sind wir die Langsamsten. Bald kündet sich Lone Pine an. Etwas ausserhalb, in den Alabama Hills, finden wir inmitten der runden Steine einen Platz. Hier ist es vorbei mit den milden Temperaturen des Death Valley, da passt ein Raclette und auch die Daunenjacke ist nicht falsch. Die zackigen Gipfel der Sierra Nevada im Hintergrund glitzern weiss. Ja, der Winter steht auch hier vor der Tür.
Brrrr - Durch aufgeräumte kalifornische Dörfer. Skiorte erinnern uns an die Schweiz, sind aber nicht ganz so hübsch. Unser nächstes Ziel der «Mono Lake», wieder in der Höhe, auf 2500m.ü.M. gelegen. Erst die Wasserknappheit Los Angeles’ offenbarte die Märchenlandschaft, die sich da unter dem Wasserspiegel verbarg. Das Abpumpen des Wassers führte zu schwerwiegenden ökologischen Folgen (der Salzgehalt des Sees stieg und Teile des Seebettes trockneten aus) - weisses Tuffgestein in den verrücktesten Formen wurde aber erst dadurch sichtbar. Eine Zuckergusslandschaft mit mannshohen Türmen und Türmchen. Wir sind am späten Nachmittag da und ganz verzaubert. Bis wir eine, länger nicht gehörte Sprachmelodie vernehmen. Wir lernen Gaby und Claudio aus St.Gallen (www.travelbuddy.ch) kennen und haben uns sogleich so viel zu erzählen, dass wir beinahe das schöne Abendlicht verpassen. Schon wieder ist es dunkel und wir beschliessen (verbotenerweise) auf dem Parkplatz am Ort des Geschehens zu übernachten. Es wird die kälteste Nacht unserer bisherigen Reise, beklagen dürfen uns dennoch nicht, denn im Gegensatz zu den anderen beiden, konnten wir uns auf den Luxus einer Standheizung verlassen.
Spooky - Spontan beschliessen wir uns am nächsten Tag unserer Reisebekanntschaft anzuschliessen und mit ihnen die Ghosttown «Bodie» zu besuchen. Eine Stadt (1859-1930) im Tiefschlaf. Alles wurde so belassen, wie es einmal war. Die leeren Bierflaschen stehen noch auf der Theke, der Globus im Schulzimmer unter einer dicken Staubschicht, die Vorhänge nur noch aus Fäden bestehend. Manch eine Arbeit in der Werkstatt wurde unvollendet zurückgelassen, Spielzeuge warten darauf gebraucht zu werden und Tische sind noch immer fürs Abendessen gedeckt. Wir tauchen ein, in die Goldgräberzeit und fühlen uns wie Zeitzeugen. Fast erwarten wir, dass da jemand um die Ecke biegt, oder die Kasse im Lebensmittelladen bedient. Faszinierend und ein wenig unheimlich zugleich.
Danke, dass ihr uns mitgenommen habt, Gaby und Claudio!
Weisse Welt - Da der Winter vor der Tür steht und in manchen Orten auch schon angeklopft hat, sind verschiedene Strassen und Pässe bereits geschlossen. Das fordert unsere Kombinationsgabe. Denn, um nach «Frisco» zu kommen, müssen die Berge der Sierra Nevada überwunden werden. Wir wagen uns schliesslich über den Sonora-Pass. Mit 2900m.ü.M der zweithöchste Pass in der Sierra Nevada, mit Steigungen von unglaublichen 26%. Zora ächzt und in manchen Kurven müssen wir den 1.Gang (!) zur Hilfe nehmen. Zum Glück hat es fast kein Verkehr. Kalifornische Autofahrer erleben wir nämlich als nicht sehr relaxt und manch ein Reisender berichtete uns von expliziten Handzeichen und gar Beschimpfungen…
Entgegenkommende Schneepflüge haben uns bereits vorbereitet, dennoch sind wir überrascht, als wir uns auf der Passhöhe in einer weissen Winterwelt wiederfinden.
Die Schöne - Nächster nennenswerter Stopp ist jene Stadt, für die wir ein paar Zusatzkilometer eingelegt haben: San Francisco!
Die Strassen winden sich noch immer über die 7 Hügel, das Pier 39 noch immer randvoll mit Touristen-Kitsch, Alcatraz trotz noch immer Wind und Wetter, der Anblick der Golden Gate Bridge noch immer einmalig. Für uns beide ist es der zweite Besuch, der Schönen.
Wir schlemmen uns durch den tollen Markt im Ferry Building, jagen Zora die steilen Strassen hoch, schielen neidisch auf schmale Häuser mit unglaublichem Blick auf die Bay, flanieren und geniessen das, oh Wunder, schöne Wetter.
Abends stellen wir erfreut fest, dass die Stadt nach der Brücke nahezu nahtlos in Natur übergeht - was uns die Schlafplatzsuche vereinfacht. Ganz unberührt ist die Gegend aber doch nicht. Der freundliche Ranger schickt uns weg und empfiehlt einen anderen Platz. Auf meine Frage, ob es da erlaubt sei, im Auto zu übernachten meint er, er werde einfach nicht mehr schauen kommen;) Dumm nur, dass sein Kollege am nächsten Morgen nicht ganz so locker drauf ist und es sich nicht nehmen kann, uns zu verwarnen. Nicht weiter schlimm.
Der Tag gehört ganz der Brücke aller Brücken. Zu Fuss laufen wir darüber, staunen über die Dimensionen und fassen die Drahtseile, die gar nicht allzu dick sind, an. Später fahren wir mit Zora darüber und können kaum glauben hier mit unserem Auto entlangzufahren.
Es ist Thanksgiving und ein jeder scheint auf der Suche nach dem Truthuhn zu sein, um sich der Völlerei hinzugeben. Die Stadt jedenfalls, wie leer gefegt, fast alles ist geschlossen. Nur auf die fleissigen Zuwanderer ist Verlass, auf all die Thailänder, Pakistanis und Chinesen. Ihr Betrieb brummt auch heute und so bekommen wir doch noch etwas zwischen die Zähne.
Küstenstrasse - Weiter sind wir auf dem Highway Number One unterwegs. Entlang der schroff abfallenden Küste, wie wir sie bereits in Washington und Oregon gesehen haben, vorbei an weissen Sandstränden. In Santa Cruz werfen wir einen Blick auf die Surfer, lassen uns vom entspannten Lebensstil einlullen und lernen in der Laundry einen ganzen Haufen stinkender, bekiffter Hippies kennen. In Monterey schlendern wir an Touristenhorden vorbei, suchen die Seelöwen und gönnen uns beim Franzosen eine köstliche Crêpes (danke für den Tipp, liebe Schwester!). In Big Sur sehen wir einsame Leuchttüre, Aussteiger-Siedlungen im Wald und wandeln über violetten Sand. Dazwischen pflücken wir Organic-Kiwis und versuchen uns im Unsichtbarmachen. Das Preisniveau der Campingplätze ist frappant gestiegen, an den meisten der in Frage kommender Gratisplätze prangen rot-weisse Schilder. Aber wir haben mittlerweile ja etwas Übung und werden auch hier fündig.
Bei den Grössten - Die höchsten Bäume der Welt sind es, die uns die Küste wieder verlassen lassen. Wir kommen vorbei am Futterkorb Kaliforniens, vielleicht gar der USA. Erst reihen sich kilometerweit Orangen-, Apfel- und Mandelplantagen aneinander. Milchfarmen folgen. In den offenen, mit Flutlicht beleuchteten Gehegen drängen sich tausende der schwarz-weiss gefleckten Wiederkäuer. Dutzende dieser Farmen entlang der Strasse. Eine Massenproduktion, wie wir sie noch nie zuvor gesehen haben!
Auch der nächste Tag ist ganz vom Gigantismus erfüllt, nicht von Menschenhand geschaffen, allerdings. Die Sequoia-Bäume im gleichnamigen Nationalpark gehören zu den ältesten, dicksten und höchsten Bäumen der Welt. Um ihre Dimensionen fassen zu können, müssen Vergleiche her. Jener etwa; würde man den Stamm, des 2200 Jahre alten «General Sherman Tree’s» (einer der grössten Bäume im Park) mit Wasser füllen, könnten 9844 Bäder genommen werden. Das ist ein tägliches Bad - 27 Jahre lang!!
Wir trotzen Schnee und Kälte und zollen den Riesen Respekt. Sie lassen ein Menschenleben klein und unbedeutend aussehen und lernen uns ein weiteres Mal, dass andere mehr von dieser Welt wissen.
Ausklang - Ein paar Tage bleiben uns noch. Diese wollen wir im «Joshua Tree Nationalpark» verbringen. Ganz gemütlich. Wir lernen Cholla-Kaktusse kennen, wandern ein paar kleine Trails, übernachten inmitten der runden Steine und verbringen einen rotweinlastigen Abend mit Veronika und Michael.
Die Joshua Trees, haben wir zwar zuvor schon gesehen, jedoch nicht in so grosser Anzahl. Sie sind ein Gemisch auf Baum und Kaktus und ihre Form variiert ist aber stets fotogen- auch vor bewölktem Himmel.
In Palm Springs kaufen wir genug lange Jeans für Andy (ab Mexiko dürfte es schwieriger werden), bereiten uns auf den baldigen Grenzübertritt vor und spielen ein letztes Mal (erfolgreich!) in einem Casino. Dann machen wir einen letzten Stopp, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in Potrero. Grenzzaun, Hundegebell und Fahrzeuge der «Border Control» lassen uns wissen, dass es nicht mehr weit ist, bis in ein neues Land. Wir kramen Kopien unserer Dokumente hervor, verstauen Herumliegendes und das Beste; Winter- und Sommerkleider dürfen den Platz tauschen!
Für allfällige Zweifel oder Ängste bleibt keine Zeit. Ruth und Peter laden uns zum Grillplausch ein und später gesellen sich auch noch die weitgereisten Berner, Maria und Hansjörg dazu. Ein schöner Abend mit Coyoten-Geheul und Hubschrauberlärm nimmt seinen Lauf und schon morgen heisst es; Bye bye America, Bienvenidos a Mexiko!
Rene Mehmann
2015-01-05 09:07:29
Hallo ihr zwei - Herzlichen Dank für den wundervollen Bericht und die prächtigen Fotos. Ich war von den rollenden Steinen und den Mammutt-Bäumen fasziniert und fühlte mich in San Francisco wie wenn ich gestern dort gewesen ware. Der Artikel fesselte mich gerdezu. Zurück aus Samedan und Pontresina konnte ich mich auch gut in die Winterscenarien versetzen. Dass es so hohe US-Passstrassen gibt, wusste ich auch nicht. Geisterstadt, Landschaft und riesige Produktionen für Fleisch, Obst und Gemüse zeigen die Vielfalt der USA. Schön, dass ihr auch SF geniessen konntet. Wir wünschen Euch weiterhin frohes Reisen und eine gute Erfahrung in Mexiko. Liebe Grüsse - Rene Mehmann/Papi
Kathrin
2015-01-05 17:57:22
soo ihr liebe!jetzt chunt vo mir au emal en kommentar:)uunglaublich vielsiitig was ihr i dere ziit erläbt händ, was will mer no meh! san fran isch natürlich DIE stadt, det wäri eu bsunders gern cho bsueche, aber natürlich au in monterey uf en feine crepe:) so vill tolli ort won ehr dörfet erfahre, beniidenswert!machets wiiterhin guet mit villne wiitere neue & interessante bekanntschafte..en grosse schmatz!
2015-01-10 11:44:40
hallo ihr 2!
Da bekomme ich schon ein bisschen Sehnsucht nach dem Death Valey!!! So geheimnissvoll und still es dort sein kann. Ich habe eben noch die Fotos auf meiner Homepage angeschaut und die Karte studiert wo ich überall war. Von Dantes Peak bis zu den Eureka Dunes, den Ubehebe Crater. Den einsamen Nächten im offenen Zelt geschlafen - irgendwie müstisch.
Ich habe in den letzten Tagen an meiner neuen Hompage gearbeitet und sobald ich wieder von meinem Spitalaufenthalt zu Hause bin werde ich sie ins Netz stellen. Sicher werden auch alte Fotos von CA etwas spaeter wieder dabei sein.
Euere Berichte sin supper und eure Fotos unübertrefflich!!!
ganz liebe Grüsse Paps
2015-01-17 04:45:36
Liebe Familie,
wir danken euch für eure Kommentare, Komplimente und euer Mitdabeisein!
Wir wünschen euch allen eine gute Zeit und hoffen euch bald zu sehen.
Liebe Grüsse aus La Paz
S&A