Nicaragua
«Das Land der tausend Vulkane» beginnt so vielversprechend und lässt uns am Ende doch eher enttäuscht zurück. Aber der Reihe nach…Kleine Landeskunde - auch in Nicaragua war der Kommunismus vorherrschend und dieser wurde von den USA blutig bekämpft. Die Sandinisten mit ihrem Präsidenten Ortega setzten sich schliesslich durch, allerdings nicht ohne, sich selbst auch zu bereichern. So wurde das Land unter den Bauern zwar aufgeteilt, es wurde aber unterlassen, die neuen Eigentümer im Grundbuch einzutragen. Anscheinend aus Nachlässigkeit. Eher wahrscheinlich, um die Kontrolle über die grossen Ländereien nicht zu verlieren. Dies führte zur grossen Landfrage mit zahlreichen Protesten und Demonstrationen. In einigen Fällen wurde man sich «einig» - in vielen nicht und sie sind bis heute ungeklärt.
Im Märchenwald - Vielversprechend ist der Norden! Am ersten Abend im Land können wir endlich wieder einmal ein Feuer machen (wie wir das vermisst haben!) und ein gemütlicher Grillplausch mit Claudia und Martin nimmt seinen Lauf.
Nach einem Spaziergang durch die schöne Gegend des «Sumoto Canyons» am nächsten Morgen fahren wir Richtung Miraflor. Hier gilt es als erste Hürde einen Fluss zu durchqueren. Schön nach Lehrbuch durchlaufen wir das Gewässer erst und räumen ein paar grosse Brocken weg. Die kleiderwaschende Frau am anderen Ufer meint es sei kein Problem, selbst Taxis würden hier durchkommen. Na dann… Wir wagen es und sowohl Lenny, als auch Zora bestehen den Test bravourös.
Bei Nieselregen fahren wir durch den mystischen Märchenwald. Grün-graue Flechten die an Bärte erinnern, triefende Farne in giftgrün und knorrige Baumriesen. Vorbei an kleinen Dörfern, Cowboys hoch zu Ross und trägen Kuhherden. Wir sind voller Reiselust und die Region lädt zum Entdecken ein. Nur die schönen Augen bei der «Finca Linda Ojos» finden wir nicht.
Kaffeerausch - Weiter geht's in die Kaffeeregion Nicaraguas. Um Matagalpo dreht sich alles um das grüne Gold. Maschinen zur Verarbeitung der Beere stehen bereit, Düngemittel sind in Hülle und Fülle zu haben und ein jeder fährt einen Pick-up. Erfreut stellen wir fest, dass viele Toyota Landcruiser unterwegs sind - Zora hat ja soo viele Freunde!
Nach einer kleinen Stärkung sind wir bereit für die Schotterpiste, die uns in die Berge bringt. Die Region wird noch einsamer, die Dörfer noch seltener. Sie sind aber erstaunlich sauber und gut organisiert, sogar verschiedene Abfalleimer zur Abfalltrennung stehen bereit.
Wir erreichen die «Finca Esperenza Verde». Der Stellplatz auf dem schlammigen Parkplatz ist nicht speziell. Wohl aber die Gemeinschaftsbereiche mit bequemen Sofas und Hängematten, von wo aus der Blick weit über die Hügel fällt. Das Wetter ist eher garstig und so geniessen wir ein paar Tassen des brühwarmen Gratiskaffees. Einmal aber reisst der Himmel auf und wir erleben einen Sonnenuntergang zum Träumen.
Hitzeschock - Nach gemütlichen Tagen mit der einen oder anderen Wanderung trennen wir uns vorerst von den «viajes» und verlassen die Finca mit einem weinenden Auge. In Esteli decken wir mit köstlichem Vollkornbrot ein und fahren zum «Tisey Estanzuela Natural Reserve». Diese Region kann nicht ganz mit «Miraflor» mithalten und auch die Wanderung zum Aussichtspunkt hält nicht was sie verspricht. Trotzdem schön, frühmorgens einfach loslaufen zu können.
Wir kehren dem kühlen Hochland nun definitiv den Rücken und fahren Richtung Meer. Die langen Hosen erweisen sich als falsche Kleiderwahl, sehr bald kleben sie. Da hilft nur viel Trinken, die Fenster soweit als möglich zu öffnen und entsprechend zu fahren;)
Auf einer Naturstrasse, die teilweise direkt am Meer verläuft erreichen wir die Halbinsel Cosigüina. Vorbei an ärmlichen Fischerhütten fragen wir uns bereits, wo wir denn hier wieder gelandet sind, ehe wir uns in einem internationalen Surfcamp wiederfinden. Manch einer ist hier hängengeblieben, die meisten geniessen das günstige Essen, das eine oder andere Bier, sowie natürlich grenzenloses Surfen. Wir stellen uns in den Schatten und freuen uns, ein italienisches-chinesisches Paar mit VW-Bus kennenzulernen. Sie erzählen von ihren gescheiterten Auswanderungsplänen und von neuen Träumen.
Eigentlich wäre es ganz gemütlich hier, aber die grosse Hitze lässt uns doch weiterziehen.
So nicht - Wieder kommen wir gut voran und finden ein Plätzchen auf einer Rancho, ausserhalb von Léon. Für Unterhaltung ist gesorgt! Es ist Samstagnacht und immer mehr Gäste, finden sich zur lautstarken Karaoke-Party ein - wobei sich der eine oder andere durchaus hören lassen kann.
Die Kolonialstadt Léon erkunden wir am nächsten Morgen. Die wirklichen Highlights für uns sind der Barfussgang über das blendend weisse Kirchendach und der kulinarische Stopp in der französischen Bäckerei, wo wir echte Crémeschnitten schlemmen.
Am nächsten Morgen erleben wir die etwas weniger vielversprechenden Seite Nicaraguas. Dabei beginnt der Tag so gut… Noch im Dunklen fahren wir los und sehen wie der Tag langsam erwacht. über sandige Trampelpfade fahren wir in Richtung des Vulkans «Cerro Negro». Die Sonne geht langsam auf und taucht die staubigen Viehherden, die vor uns hergetrieben werden in goldenes Licht. Wir sputen uns, um doch noch etwas von der Morgenstimmung in der Umgebung des Vulkans mitzubekommen. Zu Fuss passieren wir die Schranke und beginnen den Weg hochzulaufen. Die vielen Reifenspuren machen uns stuzig, anscheinend ist es möglich noch weiter nach oben zu fahren. Wir drehen um und wollen das Auto holen. Nun aber sind die Parkmitarbeiter wach - sie wollen plötzlich Geld sehen. Für den Eintritt und das Parkieren, und überhaupt. Auf unsere Frage, wieso es denn eben noch gratis gewesen sei, wissen sie keine schlaue Antwort und Preise sind nirgends offiziell angegeben. Auf den Notizzettel kann jeder einen anderen Preis aufschreiben. Das gefällt uns nicht und wir drehen um. Cerro Negro also ohne uns.
Schall und Rauch - Es gibt auch noch andere Vulkane in Nicaragua. Den Masaya beispielsweise. Diesen besuchen wir von der kreisrunden Laguna de Apoyo aus. Das karge Gebiet ist eine Wohltat für unsere Augen nach wochenlangem Dschungel-Anblick und wir geniessen die Abwechslung. Der Feuerberg selbst zeigt sich nur kurz. Meist ist er in viel Dampf und Rauch gehüllt und es wird empfohlen sich nicht zu lange in seiner Nähe aufzuhalten. Den kreischenden Papageien können diese giftigen Dämpfe anscheinend nichts anhaben. Sie haben ihre Nester im Krater gebaut und stürzen sich allabendlich in den Schlund.
Abends kosten wir auf Empfehlung meines Bruders erstmals den lokalen Rum, Flor de Caña, mit frischem Passionsfrucht-Saft. Mmmhhh, es mundet und der Nachschlag ist rasch bestellt.
Das neue Costa Rica? - Die Tourismuskampagne von Nicaragua ist auffällig. Plakate und Aufkleber werben für das Reisen im Land und zielen auf ein junges Publikum ab, das Nicaragua auch bereits für sich entdeckt. Ganz klar, Nicaragua will das neue Costa Rica werden. Noch ist es günstiger und exotischer als der Nachbar. Auch hier gibt es Vulkane, gute Wellen zum Surfen und Dschungel. Ausserdem schöne Städte. Granada zum Beispiel, das laut Eigenwerbung «das schönere Antigua» sein soll.
Das wollen wir selbst beurteilen und fahren hin. Unser Eindruck: der kleine, koloniale Kern ist hübsch, Fussgängerzonen, Cafés und Restaurants sprechen Reisende an. Kaum verlässt man das Zentrum sind die Häuser baufällig, der Gestank und Schmutz gross. Viele Obdachlose versuchen in den Strassen zu überleben und betteln um Geld. Der Markt ist chaotisch. Schöner als Antigua ist Granada für uns somit eher nicht. Aber vermutlich «echter».
Naturwunder - Für ein bewegendes Erlebnis fahren wir weit in den Süden - ins «Refugio de Vida Silvestre La Flor.» Hier kommen Jahr für Jahr Tausende Olive-Bastard Schildkröten an Land um ihre Eier abzulegen Besonders zahlreich jeweils um den zu- oder abnehmenden Viertelmond.
Als wir ankommen deutet nichts auf das bald stattfindende Erlebnis hin. Die geschwungene Bucht liegt verlassen vor uns. Wir geniessen ein paar Stunden Strandleben und erwarten gespannt das Einbrechen der Nacht. Je später es wird, umso mehr Einheimische trudeln ein und stellen ihre Zelte unter grossem Gekicher auf.
Aufpasser und das Millitär patrouillieren mit Taschenlampen und wir versuchen uns in der Dunkelheit zu orientieren. Bald sehen wir erste aussagekräftige Spuren, die aus dem Wasser an Land führen. Wir folgen ihnen und sehen eine erste Schildkröte an der Arbeit. Ihre Flossen setzt sie geschickt und beinahe wie Hände ein, um das Halbmeter tiefe Loch zu buddeln. Danach verdeckt sie das Loch mit ihrem Körper und legt bis zu hundert der kleinen weissen Eier. Nicht mindert sorgfältig deckt sie danach das Loch mit Wischbewegungen gewissenhaft zu, um nach getaner Arbeit sichtlich erschöpft ins Meer zurück zu robben. Der ganze Prozess dauert gute dreissig Minuten und es ist zauberhaft diesem Wunder der Natur aus nächster Nähe beiwohnen zu dürfen. Der ersten Schildkröte folgen unzählige weitere und wir schauen ihnen immer und immer wieder fasziniert zu. Einzig die sehr rücksichtslosen Einheimischen, welche mit Blitz fotografieren, die Tiere berühren und sie mit ihren Taschenlampen blenden trüben unsere Freude…
Das frühe Aufstehen am nächsten Morgen lohnt sich. Bei Tagesanbruch kann ich noch eine der letzten Ankömmlingen beobachten und, da es hell ist, auch ein paar Fotos schiessen.
Überall in den Ästen hocken Geier und bedienen sich an der Delikatesse. Traurig mitansehen zu müssen zwar, aber halt doch der Kreislauf der Natur. Ganz im Gegensatz zum Eierdieb, der sich wenig später bedient. Der Verkauf und Verzehr von Schildkröten-Eier ist zwar auch in Nicaragua verboten, aber leider klafft zwischen Theorie und Praxis eine grosse Lücke. Der Parkmitarbeiter, den ich darauf hinweise, unternimmt jedenfalls nichts…
Unerwünscht - In San Juan del Sur hat sich eine mehrheitlich amerikanische Backpacker-Szene gefunden und feiert hier Parties. Wir lassen den Ort hinter uns und steuern die ruhigere Playa Maderas an. Die schrullige Campingplatz-Besitzerin lässt nicht mit sich verhandeln und schlägt für die bescheidene Infrastruktur einen happigen Preis vor. Mangels Alternative willigen wir ein und verbringen trotzdem einen schönen Abend.
Am nächsten Tag die überraschung. Wenn wir keine weitere Nacht bleiben wollen, hätten wir den Platz bis um zehn Uhr zu verlassen. Wir sind perplex, in jedem Hotel darf man länger bleiben und wir sind weit und breit die einzigen Gäste hier. Nach etwas diskutieren, schlagen wir eine humanere Zeit vor. Doch die Dame tänzelt davon und schliesst das Badezimmer ab! Das gibts doch nicht! Jetzt werden wir laut und beharren darauf, das Badezimmer bis zur Abfahrt benutzen zu dürfen. Nichts mehr hält uns hier und wir packen in Windeseile zusammen. Bei Abfahrt sehen wir ihn gerade noch, den berühmten Finger, den sie uns, zwischen den Wäscheleinen versteckt, zeigt…
Unschönes Ende - Zur Krönung hält uns wenige Meter danach ein Polizist der «Tourismus-Polizei» an und versucht uns zu büssen, da wir nicht angeschnallt gewesen seien… Wir verteidigen uns erfolgreich und fahren weiter. Die Risse unseres positiven Bildes von Nicaragua werden tiefer und tiefer.
Eigentlich steht die Vulkaninsel «Isla de Ometepe» noch auf unserer Wunschliste. Das Vorgehen, um einen Platz auf der Fähre zu erhalten ist aber wiederum undurchsichtig und äusserst mühsam. Ausserdem ist das Wetter schlecht und das Seewasser bräunlich.
Etwas betrübt beschliessen wir das Unternehmen zu vergessen und uns auf ein neues Land einzulassen - auf Costa Rica.
Wie es uns dort gefällt und wie sich das Land zehn Jahre nach unserem Besuch verändert hat, bald zu lesen in unserem nächsten Bericht.
Rene Mehmann
2015-09-17 08:13:57
Hallo Reisende
Besten Dank für den abwechslungsreichen, spannenden Bericht und die erstklassigen Fotos. Erfahrung mit den eierlegenden Schildkröten war sicher einmalig und speziell. Auch die vielen Stimmungsbilder beeindrucken mich. Ihr schildert eindrücklich Eure Erlebnisse. Nun habt ihr wieder die familieninterne Exklusiv-Vertretung in Südamerika. Yves landet in 3 Std. in Zürich und toni kontrolliert ja nur Panama. Geniesst die Reise. Wir vermissen Euch und wünschen weiterhin happy travelling! Liebe Grüsse und big hug Rene Mehmann/Papi
Dieter Schaad
2016-03-25 18:42:07
Guten Tag
wir suchen die Adresse von Toni Mehmann in Panama Bocas del Torro. Um bei ihm Ferien zu machen.
freundliche Grüsse
Dieter Schaad