Oregon
Plan B - Oregon beginnt etwas mühsam für uns, aber da sind wir eigentlich selbst schuld…Nach einem kleinen Spaziergang verlassen wir die vulkanische Gegend um den Mount St.Helena und steuern bei schönstem Wetter Portland an. Die Stadt scheint in Aufruhr, überall stauts und stockts. Langsam dämmert uns, ach ja, es ist schon wieder Freitag und für alle Arbeitenden dieser Stadt muss, gerade jetzt, Feierabend sein. Als sich die anvisierten Campingplätze auch noch als voll oder Wohnsiedlungen erweisen und wir plötzlich auch gar keine soo grosse Lust auf Stadthektik verspüren, wissen wir, Plan B muss her. Doch auch Plan B soll sich als unüberlegt erweisen. Mit der Idee an die Küste zu fahren sind wir nämlich auch nicht alleine…
Irrfahrt - Stunden später und um ein paar Nervenzellen ärmer erreichen wir das schmucke Cannon Beach. Wir würden uns jetzt auch gerne der herausgeputzten Menge anschliessen, die laue Freitagnacht mit einem Drink hier, einem feinen Nachtessen da geniessen. Aber für uns heisst es mal wieder, Schlafplatz suchen und essen, was der Kühlschrank hergibt…
Müde fallen wir in’s Bett. Ehe wir durch heftiges Klopfen geweckt werden. Alles ignorieren hilft nichts, es hört nicht auf. Und haben wir da jetzt wirklich gerade «Police» gehört?! Jetzt sind wir hellwach, öffnen die Tür und werden von einer Taschenlampe geblendet. Die Dame stellt sich als Mitglied der Cannon Beach Police vor und weist uns nett, aber bestimmt, darauf hin, dass wildcampieren hier und auch in der Umgebung verboten sei! Oooups! Dabei bot sich der grosse Parkplatz ortsausserhalb doch geradezu an… Nachdem unsere Pässe für einwandfrei befunden wurden (immerhin ;) ), schlägt sie uns eine Lösung vor.
Den von ihr «bewilligten» Übernachtungsplatz bei einem Pullout finden wir aber nicht und so fahren wir mitten in der Nacht die halbe Küste Oregons ab. Es kann nur noch besser kommen hier für uns!
Besserung in Sicht - Das Wochenende zwar noch etwas anstrengend, ALLE sind unterwegs und wollen das schöne Spätsommerwetter auskosten. Dann aber finden wir sie, die einsamen Strandabschnitte, fotogenen Felsen im Meer, Sonnenuntergänge und Seehundkolonien. Alles entlang dem Highway Number 1, welcher uns des Öftern fast vom Fahren ablenkt. Aber nicht alles ist schön und gut.
Die vielen Obdachlosen, die sich bei jeder Konsumtempel Einfahrt tummeln, regen uns zum Nachdenken an. Auf Pappschildern ist zu lesen, was sie benötigen. Und dass da oft «Food» steht, erachten wir als kein so gutes Zeichen. Auch unzählige Veteranen scheinen Hilfe zu benötigen und stellen sich auf die Strassen.
Genusstag - Portland lässt uns doch nicht los und wir planen für die Stadt, die unserer Zeit um mindestens 10 Jahre voraus sein soll (laut Lonely Planet) unsere Route um. Es lohnt sich!
Portland ist innoffizielle Kaffeehauptstadt der Welt (offiziell ist es Seattle) und bei der Kaffeezubereitung wird fast schon wissenschaftlich vorgegangen. Die besten der besten Sorten, alle organic, per Gramm abgewogen, mit viel Liebe und Show zubereitet. Obwohl alles richtig gemacht wurde, mundet uns der Kaffee im gestylten Lokal unserer Wahl nicht so - Kaffee ist halt trotzdem immer noch Geschmackssache.
PDX ist aber auch bekannt für seine «Food Courts». Jene fahrbaren Buden in denen Menschen aus aller Welt, Essen aus aller Welt anbieten. So gönnen wir uns einen Schlemmertag und probieren uns durch das Angebot. Nicht einmal den Hype um die Voodoo-Donuts lassen wir aus. Diese werden in mehreren Filialen 24 Stunden am Tag verkauft und die Leute stehen immer Schlange, für so verrückte Kombinationen, wie Bacon-Maple-Leaf-Donut (er schmeckt wirklich!). Weitere Highlights sind ein asiatisches Essen im Sen Yai und Glacé von Salt&Straw. Um zu beurteilen, ob die Stadt unserer Zeit wirklich voraus ist, war unser Aufenthalt zu kurz. Die relaxte Atmosphäre, die «alles ist möglich»-Mentalität und die immense Zahl innovativer Gastrobetriebe gefielen uns aber sehr.
Badefreuden - Vorbei am Mount Hood fahren wir zu den Bagby Hotsprings. Sie liegen mitten im Wald und wir erreichen sie wandernd. In den Holzwannen sitzen wir das Regenwetter aus und versuchen uns im Mischen der richtigen Badetemperatur. Das Quellwasser ist fast kochend heiss und nur mit dem Beifügen von kaltem Wasser geniessbar. Zumindest für uns.
Über’s Land - Über einsame Forststrassen weiter Richtung Sisters. Trockenes Farmland mit stacheligen Grasbüscheln ist jetzt vorherrschend, sanfte Hügel vulkanischen Ursprungs dazwischen. Von Sisters bleibt uns vorallem der gute Duft in Erinnerung. Ein intensiv würziger Duft nach Zedernnadeln.
Auffallend und für uns überraschend der Einfluss der Einwanderer aus dem Süden. Wir sichten nicht nur viele mexikanische Restaurants und Lebensmittelläden, sondern bemerken, dass vieles auch in spanischer Sprache angeschrieben ist. Irgendwie hätten wir dies erst südlicher in den USA erwartet.
Gegensätze - Weiter wollen wir das Newberry National Volcanic Monument besuchen. Der Newberry Crater war einmal der Gipfel eines der aktivsten Vulkane Nordamerikas. Bei einer riesigen Eruption stürzte er ein. In der dadurch entstand Caldera bildeten sich die beiden tiefen Seen Paulina und East Lake, die vom Paulina Peak überragt werden. In der bizarren Landschaft trainierten 1960 gar Astronauten für ihre Mission zum Mond.
Dass Amerika durch und durch vulkanisch geprägt ist, war uns nicht bewusst. Aber die Cascades Mountains, welche den Osten Oregons und auch Washingtons von der Küste abschirmen, liegen auf dem «Ring of Fire».
Sie trennen die beiden Staaten landschaftlich und gar gesellschaftlich. Die Küste feucht, liberal, urban und mit immergrünen Wäldern. Die sich auf der anderen Seite ausbreitenden Ebenen trocken, ländlich, konservativ und mit endlosen Steppen überzogen. Was für Gegensätze!
Überraschung - In Bend erfahren wir einmal mehr, dass es nichts bringt, uns den Tag auszumalen. So haben wir uns den heutigen Tag folgendermassen vorgestellt: aus Bend rausfahren, Frühstück an einem schönen Ort, den Obsidian Flow anschauen. Den Tag gemütlich am Paulina Lake ausklingen lassen.
Und so kams: noch vor dem Frühstück fahren wir auf den perfekt geformten Kegel des Lava Butte und geniessen die windige Aussicht. Danach Besuch im informativen Museum. Frühstück. Der Obsidian Flow begeistert (Danke für den Tipp, Rea!) und wir verbringen viel Zeit dort. Danach schlägt das Wetter um, es regnet in Strömen. Also Wartepause im Auto am Paulina Lake. Als das Wetter besser wird, auf einer Piste zum Paulina Peak, den wir gleich zum Übernachtungsplatz küren. Zumindest solange, bis es zu schneien beginnt und wir fluchtartig etwas weiter nach unten fahren. Auch weiter unten ist die Nacht eisig kalt.
Wir lieben es (meist!) nicht zu wissen, was uns der Tag bringt!
Der Obsidian Flow übrigens, eine vulkanische Liaison. Die heissen Lavaströme verschmolzen einst mit dem Quarzsand, das Ergebnis, eine düster-faszinierende Landschaft aus schwarzem, scharfkantigem Glas.
Farbenspiel - Nach einem filmreifen, aber sehr kalten, Sonnenaufgang auf dem Paulina Peak erwarten uns die Painted Hills. Ja, ihr habt richtig gelesen, wir haben uns zu Frühaufstehern gemausert! Es wird halt auch immer früher dunkel.
Durch ländliche Gegenden fahren wir die paar Kilometer und staunen, dass sich die Umgebung schon wieder ändert. Noch karger, sandiger fast. Wieder grosse Herden schwarzer Kühe.
Die «Painted Hills», jahrmillionenaltes Gestein, fesseln uns. Im Abendlicht zeigen sie all ihre Farbschattierungen und wir knipsen, was das Zeug hält.
Achterbahn - Nächster Programmpunkt in «off-the-maps-Reise» wäre der Hell’s Canyon. Er macht seinem Namen aber alle Ehren und versteckt sich in dichtem Nebel. Wir harren eine kalte Nacht an seiner Seite aus, doch auch am nächsten Morgen will er sich nicht zeigen. Macht nichts, denn nach einem gemütlichen «Heisse Schokolade-Stopp» in Joseph (Arrowhead Chocolates), folgt ein unerwartet spektakulärer Strassenabschnitt. Im Joseph Canyon windet sie sich in vielen Kurven von 1400m auf 400m hinunter, um dann ebenso kurvenreich wieder auf 1200m anzusteigen. Fast wie Achterbahnfahren. Auch temperaturmässig: von knapp 15°C, auf 27°C im Canyon unten. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus und benötigen dementsprechend viel Zeit.
Abstecher nach Washington - Den Sonnenuntergang bei unserem eigentlichen Ziel, den Palouse Falls, verpassen wir um Haaresbreite. Wir übernachten mitten auf dem Feld im Nirgendwo und stehen am nächsten Tag mit der Sonne auf. Zwar liegt der Wasserfall noch im Schatten, die Einblicke in den Canyon sind aber dennoch beeindruckend.
Für die nächsten Ausblicke erklimmen wir wieder einen Hügel. Zora besser gesagt. Der Steptoe Butte, liegt ebenfalls in Washington, ist vulkanischen Ursprungs und erhebt sich wie aus dem Nichts aus der flachen Landschaft. Meilenweit sind Felder in allen möglichen Beigetönen zu sehen. Teilweise in grafisch anmutenden Mustern. Wir überlegen die Nacht hier zu verbringen, entscheiden uns aber aufgrund des starken Windes dagegen. Bei der Rückfahrt stibitzen wir rote Äpfel. Tonnenschwer hangen sie an den Ästen der vielen Bäume. Niemand liest sie ab. Da dürfen wir uns bestimmt bedienen!
Für unser nächstes grosses Ziel, den Yellowstone National Park, geben wir etwas Gas. Wir durchfahren den nördlichen Teil Idahos und nehmen dann Kurs auf Montana. Wir freuen uns sehr auf diesen Park, auch wenn wir da vermutlich nicht die Einzigen sein werden. Bald können wir euch berichten!
Rene Mehmann
2014-11-03 11:54:24
Hallo Amerikaner Erneut sehr spannend und eindrücklich. Grossartige Fotos und faszinierende Geschichten. Merci vehlmohl. Vulkanische Gegenden aber auch die Küstenbilder gefallen mir sehr gut. Was für ein riesiges Land. Portland war auch die Lieblingsstadt von Kathrin. Yves geniesst Eure marokkanische Gastfamilie in Tamatert und fliegt morgen in die Schweiz retour. Ich freue mich schon auf Euren nächsten Bericht. Reised guet, Rene Mehmann/Papi