Türme des blauen Himmels
Patagonische Weiten - Wir verlassen Argentinien über eine pfeilgerade Piste und kommen vorbei an einsamen Estancias. Die Zäune ziehen sich in Patagonien über ungezählte Kilometer hin und sorgen nicht selten dafür, dass die ultimative (Reise-) Freiheit genau dort endet. Wir stellen uns die Frage, wie viele Arbeitsstunden für das Aufstellen draufgingen und auch, für wen, denn diese Zäune gedacht sind… Die Nutztieren, wie Schafe und Rinder, lassen sich an vielen Orten nämlich an einer Hand abzählen. Es scheint so, als ob die Weiden nicht mehr genug hergeben würden und die Zäune jetzt nicht selten zum Verhängnis der Guanakos werden. Leider gelingt der Sprung über das Hindernis den Tieren nicht immer, sie hängen mit den Hinterbeinen ein und verenden elendig. Ein wirklich trauriger Anblick…Der Wind, der Wind… - Über den «Paso Rio Don Guillermo», der sich nicht wirklich wie ein Pass anfühlt, kommen wir nach Chile. Die Formalitäten sind rasch geklärt, der Wind hingegen weht uns beinahe weg und gibt uns das Gefühl richtig in Patagonien angekommen zu sein.
Nur langsam kommen wir auf der Schotterpiste voran. Wieder einmal staunen wir, über eine Landschaft, die im letzten Licht des Tages mehr als verheissungsvoll aussieht und Nandus, die sich nur wenige Meter von uns weg zeigen. Wir erreichen den Nationalpark Torres del Paine.
Er ist DAS Aushängeschild Chiles und liegt um die Berggruppe «Cordillera del Paine». Paine heisst in der Sprache der Tehuelche-Indianer soviel wie «himmelblau». Torres del Paine heisst also, Türme des blauen Himmels. Was für ein schöner Name!
Ansturm - So schön wie der Name und die ganze Szenerie auch ist, unser Start ist es weniger. Wir kaufen das teure Eintrittsticket, lassen die chinesischen Gruppe-Reisenden hinter uns und stellen uns beim «Hotel Las Torres» an den Rand des Parkplatzes. Hier realisieren wir, wie unglaublich überlaufen der Park ist. Outdoor-Liebhaber aus der ganzen Welt wollen einen Blick auf das Felsmassiv erhaschen und sorgen für Auswüchse, die uns zweifeln lassen, ob wir wirklich bleiben wollen….
Jackpot - Noch überlegen wir, ob es hier überhaupt ein ruhiges Plätzchen für uns geben wird und fahren ohne grosse Hoffnungen an den Rand des Parks, an die «Laguna Azul». Völlig unerwartet ziehen wir den Jackpot!
Wir dürfen uns auf eine Wiese mit Traumblick auf die Lagune und die weltbekannten Berggipfel stellen. Tisch und Bank benützen, ebenso den Aufenthaltsraum mitsamt Küche und Gratiskaffee. Es gibt eine Dusche mit heissem! Wasser und jetzt kommt’s - das Ganze ist gratis!
i-Pünktchen - Wir können unser Glück kaum fassen und machen uns bei schönstem Wetter daran, die Umgebung zu erkunden. Ein Trail führt dem Seeufer entlang, durchquert die Tundra - Landschaft mit dem hohen Gras und führt durch Wälder mit Zypressen, Lenga - und Olivillo-Bäumen. Dabei haben wir die «Torres» stets im Blick - und, wir sind ganz alleine (wieso auch immer!), der Rummel ist weit weg.
Der Tag meint es noch besser mit uns! Als wir zurückkommen steht in den Büschen doch tatsächlich das «Wohnzimmer» von Els und Gerrit! Es wird eine freudige Begrüssung, die in eine gemütlichen Kaffeestunde mündet. Als es kalt wird, verziehen wir uns in den warmen Aufenthaltsraum, schmeissen den Inhalt unsere Reiseküchen zusammen und freuen uns darüber, was dabei herauskommt. Ein, zwei Flaschen Rotwein tragen das Ihrige zum guten Gelingen bei.
Weil’s so schön ist, fragen wir den netten Host, ob wir vielleicht noch eine Nacht bleiben dürfen (eigentlich ist nur eine erlaubt). Wir dürfen und so geht es von vorne los. Wandern, Guanakos und Vögel beobachten, Kaffeestunden, plaudern, zusammen kochen, Wein trinken…
Unglaublicherweise komme ich hier, an diesem Ort, auch noch in den Genuss einer Massage! Els, die ausgebildete Physiotherapeutin macht’s möglich. Es ist wunderbar. Thank you Els!
Eine unter vielen - Nach den schönen Tagen an der «Laguna Azul» verabschieden wir uns von unseren Freunden und steuern nochmals den Hotel-Parkplatz an, dies weil die meisten Trails hier starten. Es wird eine kalte Nacht und morgens sind die Berggipfel weiss gezuckert. Trotzdem starte ich auf die Wanderung zum «Mirador las Torres».
Das «W» eine 4- 5 tägige Runde und das «O» eine 8-10-tägige Runde sind bei jungen Rucksack-Touristen ungemein beliebt. Die Landschaften, die man dabei durchquert müssen wunderbar sein, die Berge majestätisch, die Gletscherfelder unendlich. Das Drumherum jedoch trübt das Erlebnis bestimmt. Die Zeltplätze sind überfüllt und teuer, müssen weit im Voraus reserviert werden und an einigen Stellen läuft man im Gänsemarsch hintereinander her…
So auch auf dem Aufstieg zum «Mirador las Torres». Die 19km lange Wanderung mit rund 1200m Auf - und Abstieg ist in einem Tag zu schaffen und sehr populär. Auch ich tue mir das an, auch ich will den «Torres» einmal nahe sein.
Wanderlust - Der ausgetretene Pfad führt mehrheitlich bergauf, durch eine fantastische Hochgebirgslandschaft. Er verläuft durch das Ascendio-Tal, parallel zum wild rauschenden Fluss und man kann sich die ganze Zeit über den herrlichen Ausblick in die Bergwelt am Ende dieses Tales freuen. In Serpentinen führt der Weg hinauf durch patagonischen Südbuchenwald, bevor es richtig steil wird und es über grosse Felsbrocken nach oben geht.
Irgendwann ist es geschafft, ich stehe oben, der Blick fällt auf den türkisen Gletschersee und die majestätischen Berggipfel, welche sich zumindest ein wenig, aus den Wolken schälen. Obwohl ich ganz und gar nicht allein bin hier, ist es ein grosser Glücksmoment. Der Anblick und die Stimmung dort oben sind erhaben.
Wetterfrosch - Das Wetter in diesem Teil der Erde ist wirklich unberechenbar und es ändert fast minütlich. Wir laufen auch schon mal bei Sonnenschein los, nur um uns kurze Zeit später in einem tobenden Schneeregen-Sturm wieder zu finden… Pflotschnass kommen wir beim Auto an, als wir los fahren, ziert ein Regenbogen den Himmel und die Sonne gewinnt trotz schwarzer Wolken die Oberhand. Was eine tolle Stimmung erzeugt.
Der Wind bläst auch immer wieder orkanmässig und lässt die eine oder andere geplante Wanderung ins Wasser fallen. Als dann für die nächsten Tag erneut Schnee angesagt ist, beschliessen wir, dass wir genug haben und verlassen den Park im Süden.
Immer südwärts - Wir sind spät dran, der Winter klopft unaufhörlich an die Tür und wir wollen doch noch bis nach «ganz unten». Die «Ruta del Fin del Mundo» lässt uns gut vorankommen und uns unser Ziel nicht aus den Augen verlieren. Im tristen Puerto Natales stoppen wir für einen kulinarischen Höhenflug. Wir leisten uns ein Essen im afrikanisch-chilenischen Restaurant «Afrigonia» und würden sagen, allein wegen diesem Restaurant lohnt sich eine Reise hierhin.
In der Zollfrei-Zone von Punta Arenas erhält Zora nach über 80’000km! neue Reifen. Gerne hätten wir wieder «BF Goodrich AllTerrain» gekauft, die uns mehr als überzeugt haben. Leider gibt es die aber nicht im Angebot und wir steigen gezwungenermassen auf das Produkt der Konkurrenz um. Mal schauen, was sie taugen.
Abends schlafen wir bei den Klippen von Chabunco und lassen den Blick ein erstes Mal über die sagenumwobene Magellan-Strasse schweifen, wo wir gar Wale entdecken.
TIERRA DEL FUEGO - Bei der «Estancia San Gregorio» legen wir einen Halt ein. Die Gebäude auf dem riesigen Areal wurden um 1879 erstellt und werden leider dem Zerfall preisgegeben. Tausende Schaffelle liegen herum und rotten vor sich hin, am Strand liegen zwei gestrandete Schiffe, von denen auch nicht mehr allzu viel übrig ist. Schade, dass da nicht mehr draus gemacht wird.
Eine kleine Fähre bringt uns auf die grösste Insel Südamerikas - Feuerland! Während der Überfahrt pfeift uns der eiskalte Wind um die Ohren, trotzdem stehen wir draussen an der Reling und schauen über das stürmische Meer, das die kleinen Boote hart arbeiten lässt. Unglaublich mit dem eigenen Auto hierhin gekommen zu sein…
Im klitzekleinen Porvenir nehmen wir die Schotterstrasse und folgen der Bahia Inutil.
Schutzgebiet - An der wilden Bucht hat sich eine Gruppe Königspinguine angesiedelt - woher sie kommen weiss man ebenso wenig, wie, wie lange sie schon sind hier sind. Einzig, dass dies die einzige Kolonie ausserhalb der Antarktis ist, ist klar. Anfangs lebten die Tiere auf Privatland und waren den Besuchern schutzlos ausgeliefert. Eine Gruppe Interessierter kaufte das Land und errichtete ein Schutzgebiet. Der «Parque Pingüino del Rey» wird von Studenten unterhalten und kann gegen Entgelt besucht werden.
Die «Jungen» sind schon fast so gross wie ihre Eltern und sehen in ihrem dicken, grauen Pelz etwas unförmig aus. Die nette Biologie-Studentin erzählt uns, dass letztes Jahr einige der Jungtiere gestorben seien. Die Experten vermuten, dass es sich bei den Mitgliedern dieser Kolonie um ausgestossene Tiere aus anderen Kolonien handeln könnte. Viele hätten zudem zum ersten Mal Nachwuchs und darum auch einfach keine Erfahrung. Dieses Jahr hätte es aber noch mehr Jungtiere und es bestehe die Hoffnung, dass sich die Gruppe vergrössert.
Hautnah - Bei unserem nachmittäglichen Besuch windet es so sehr, dass wir die Kamera kaum ruhig halten können, der Wind ist eiskalt und durchdringt alle Kleiderschichten. Dennoch schauen wir dem Treiben lange zu. Einfach faszinierend, Tiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten zu können.
Wir übernachten in der Nähe und suchen etwas Windschatten. Am nächsten Morgen dürfen wir nochmals rein und haben das Glück, dass ein paar der Königspinguine ganz nah kommen. Fast könnten wir sie berühren.
Weiter geht es im östlichen, argentinischen, Teil Feuerlands. Ob wir das Ende der Welt erreichen und was wir bis dahin erleben, im nächsten Bericht.
Rene Mehmann
2016-08-18 15:20:05
Aloha toller Bericht und wahnsinnig schöne Fotos. Auch der abgelaufene Pneu hat mich tief beeindruckt. Liebi Grüess Rene Mehmann/Papi
Lisbeth und Lwo
2016-08-19 02:38:09
Ja dieser schöne Bericht lässt uns in Erinnerung schwelgen. Nur schade, dass wir die Königspinguine nicht so nahe sehen durften. Der Zugang wurde uns nicht erlaubt.
Danke für die tolle Erzählung und den famosen Bildern.
Un fuerte abrazo de Lisbeth und Leo
Sabine
2016-08-24 05:38:51
Meeerci, Papi! Eigentlich hätten wir ein Vorher-Nachher-Bild von den Pneus machen sollen, dann wär der Verschleiss noch viel besser zu sehen gewesen...
Sabine&Andy
2016-08-24 05:44:01
@ Lisbeth und Leo, danke für euren Kommentar) Wir durften bei den Pinguinen nicht näher heran als alle anderen, hatten einfach das Glück, dass die Pinguine sehr nahe zu uns kamen.
Besitos
2017-01-18 08:36:46
Dieser Ausblick am Mirador las Torres ist fantastisch. Das erklärt auch die vielen Besucher. Dies ist der Nachteil der schönen Plätze auf unserer Erde. Wenn sie nicht sehr schwierig zu erreichen sind hat es einfach viele Besucher. Sind Trekkingtouren in diesem Gebiet nur auf den vorgegebenen Routen und das Campen nur auf den Zeltplätzen erlaubt oder bestehen da gewisse Freiheiten?
Liebe Grüsse
Elias
Sabine
2017-01-19 15:37:19
Hallo Elias,
lieben Dank für deinen Kommentar! Ja, der Ausblick da oben ist fantastisch und der ganze Park eigentlich auch. Und doch waren wir anfangs enttäuscht über den ganzen Trubel und wie viele Leute sich da tummeln...
Trekkingtouren verlaufen auf den vorgegebenen Routen und die (teuren) Campingplätze auf der W-Route und der O-Route müssen für die Hauptsaison monatelang im Voraus reserviert werden. Der Komfort sei sehr bescheiden, die Natur aber dennoch fantastisch - O-Ton von Freunden, die die grosse Tour gemacht haben.
Liebe Grüsse
Sabine und Andy