über die Linie
Das besiedelte Land zeigt uns fast keine unberührte Natur. Die Wälder sind abgeholzt (Ecuador hat laut Reiseführer die höchste Abholzungsrate und das schlechteste Zeugnis in Sachen Umweltschutz in ganz Südamerika), die Wiesen Weideland oder Ackerfläche. Die klimatischen Unterschiede sind ebenso gross, wie jene zwischen den hier lebenden Ausländern und der traditionellen Dorfbevölkerung. Vielleicht war unser Besuch zu kurz, das Land bleibt, jedenfalls irgendwie «unfassbar». Aber bestimmt werden wir irgendwann wieder kommen, die Galapagos Inseln, das touristische Aushängeschild, haben wir uns aufgespart. Oder im Klartext, wir konnten es uns nicht leisten.Neues Land - Der Grenzübertritt verläuft problemlos und dies, obwohl wir im Gegensatz zur Nonne(!) niemanden bezahlen. Wir lernen Deutschen Töfffahrer kennen, die in der Nachbarsgemeinde (Neuenhof) wohnen und so vergeht die Wartezeit rasch. Noch effizienter geht’s auf ecuadorianischem Boden zu und her. Wir staunen über die erhaltene Karte und die Reisetipps, Touristen scheinen willkommen. Na dann…
Erster Stopp ist Ibarra. Die Finca Sommerwind zieht Overlander an- und die meisten bleiben länger als gedacht. Auch wir bleiben. Kosten Lagerfeuer-Abende, Internet und die heisse Dusche aus.
Dass in Ibarra viele Ausländer leben ist auch am Angebot im Supermarkt sichtbar - es gibt die vermissten Produkte zu Hauf. Auch die Preise in Dollar (die offizielle Landeswährung) halten uns vom Kauf nicht ab, denn so teuer die Lebensmittel, so günstig der Diesel. Eine Tankfüllung (90L) für weniger als 20.-, was für ein Spass!
DIE Linie - Da können wir ein paar Extra-Kilometer doch glatt in Kauf nehmen und via dem «Intag-Valley» nach Mindo fahren. Das Tal, in dem vornehmlich die 2% afrikanisch stämmiger Ecuadorianer leben und das zu den ärmsten Gegenden des Landes gehört. So wenig Geldsegen vorhanden ist, so reich ist die Region trotzdem - an landschaftlicher Schönheit und Innovation. Die Bewohner haben sich zu Kooperativen zusammengeschlossen, verkaufen unter anderem Kaffee, im Café Intag in Cotacachi. Nachdem wir das Getränk dort für gut befunden haben, hätten wir gerne auch die Kooperative besucht. Leider ist sie am Samstag zu.
Weiter über Berg und Tal, vorbei an vielen (illegalen?) Zuckerrohr-Schnapsbrennereien. Angestrengt halten wir dazu unser Tablet im Auge. Die nördlichen Breitengrade werden weniger und weniger, bis das schliesslich N 00.0000° steht. Ganz unspektakulär überqueren wir ein erstes Mal den Äquator und sind nun offiziell im Süden unterwegs.
Garten Eden - Bis wir das verschlafene Mindo erreichen ist es bereits dunkel und es regnet in Strömen. Im «La Roulette» lässt Ignacio trotzdem die Sonne aufgehen. Wir werden mit einer Herzlichkeit begrüsst, wie sie uns länger nicht begegnet ist.
In den nächsten Tagen tauchen wir ein, in die üppige Flora und Fauna - wir wandern, entdecken unzählige Schmetterlinge und gehen mit Ignacio in der Nacht auf «Froschtour». Wir werden fündig und er freut sich über unsere Freude. Das Geld für eine teure Vogelbeobachtungstour sparen wir uns und versuchen unser Glück alleine. Es ist uns hold und frühmorgens erleben wir einen Farbenrausch. Wir sehen Papageien, Tukane und Quetzales umherflattern - einfach zauberhaft. Ein wenig fühlen wir uns wie Entdecker;)
Der Westschweizer Besitzer Stephan, mit dem wir uns übrigens in Spanisch unterhalten, sorgt auch noch für ein kulinarisches Highlight. Er bäckt uns eine richtige Holzofenpizza. Mmmhh!
Kurzstopp - Wir verlassen Mindo Richtung Quito und überqueren dabei die berühmte Linie erneut. Im «Museo de Sitio Intiñan» erfahren wir Wissenswertes und sind überrascht, wie «körperlich»die Überquerung spürbar ist - exakt auf dem Äquator ist es beispielsweise beinahe unmöglich mit geschlossenen Augen auf einer Linie zu laufen.
Quito nutzen wir für einen Geburri-Stopp (meinen) und verbringen mit Petra und Anders einen schönen Abend. Ansonsten begeistert uns die Stadt wenig. Lieber wieder in die Natur.
Kontraste - Der Cotopaxi NP ist wegen hoher Aktivität des Vulkans zu. Ein Stopp bietet sich dennoch an, um den Donnerstags-Markt in Saquisili zu besuchen. Es ist ein besonders geschäftiger und bunter Markt, die kleine Stadt quillt richtiggehend über. Unglaublich, wie viele verschiedene Kartoffeln da angeboten werden, wie da verhandelt und nach Hause geschleppt wird. Wir sind die einzigen Touristen und werden neugierig beäugt. Bald ist Allerseelen und das typische Getränk «Colada Morada» wird bereits verkauft. Das süsse Getränk aus Maismehl, Beeren und Früchten ergibt zusammen mit einem Stück frischgebackenem Brot ein sättigendes, zweites Frühstück.
Immer wieder faszinierend auch die Kontraste. Als wir im topmodernen Shopping-Center Geld holen, sind auch ganz viele traditionell gekleidete Frauen am Bummeln. Sie scheinen die gleichen Konsumwünsche wie die Menschen überall auf der Welt zu haben und fast alle sind stolze Besitzerinnen eines Smartphones. Dafür sind die Fernsehschüsseln, die in Mittelamerika noch auf beinahe jedem Dach zu sehen waren, mehrheitlich verschwunden.
Auf Abwegen - Über viele Kurven kommen wir auf eine abgegraste Hochebene. Zerstreute Häuser zeugen davon, dass sich auch hier Menschen niedergelassen haben. Wir wollen die «Laguna Quilotoa» via einer Piste erreichen, sind uns aber nicht sicher, ob sie bis ans Ziel führt. Der Nebel verschluckt Lamas, Schafherden und die einfachen Behausungen, die bunt gekleideten Frauen und Mädchen sorgen für Farbkleckse. Wie sie manchmal bei nur einem Tier sitzen hat etwas Rührendes. Doch machen wir uns nichts vor, Schulbildung ist hier leider ebenso weit weg, wie eine funktionierende Strom- und Wasserversorgung und das, obwohl die Umgebung touristisch erschlossen ist.
Kinder freuen sich über einen Schwatz und die geschenkten Früchte sorgen Wohl für etwas Abwechslung auf dem Speiseplan. Immer wieder fragen wir nach dem Weg, stellen aber fest, dass viele gar kein Spanisch sprechen, sondern nur Quichua. So wissen wir bis am Schluss nicht, ob wir die Lagune wirklich erreichen werden… Es soll nicht sein. Mitten auf dem staubigen Dorfplatz ist Schluss. Zwei Männer mit modernsten Gerätschaften vermessen gerade die Gegend und bestätigen, hier geht es nur noch zu Fuss weiter. Ein paar weniger hundert Meter, trennen uns nur, aber es gibt keine Möglichkeit. Zurück das Ganze. Trotzdem lohnende Abwege.
Shalala - Beim Shalala-Camp wird uns zur Begrüssung ein buntes Armband umgebunden und wir können uns in die Nähe der Lagune stellen. Perfekt, um frühmorgens die anstrengende Wanderung in Angriff zu nehmen. Wir sind auf über 4000m und so begnügen wir uns mit einem Teil des Weges. Wider Erwarten sind die Ausblicke auf den Vulkansee immer wieder anders, wozu auch die Wolkenbilder das Ihrige beitragen.
Nachmittags nehmen die Wolken zu und es wird kalt… Wir retten uns in das wunderschöne «Black Sheep Inn», wo wir uns am knisternden Feuer wieder aufwärmen.
Beim Höchsten - Nach einem gemütlichen Morgen und nachdem wir dem Besitzer, der gerade sein zweites Reisefahrzeug ausbaut, unser Heim gezeigt haben, geht es weiter. Längst haben wir uns an die Höhe gewöhnt und können uns an den «Volcano Chimborazo» wagen. Gipfelstürmer sind wir zwar noch keine, aber auch mit dem Auto kann man ihm ziemlich nahe kommen. Der Chimborazo übrigens mit 6310m, der höchste Berg der Welt - neinnein, nicht der Mount Everest. Der Gipfel des Chimborazo ist nämlich vom Ermittelpunkt gemessen, der Höchste der Welt.
Das nur so nebenbei.
Wir jedenfalls, haben die Rechnung ohne das Wetter gemacht. Als wir uns der Passhöhe nähern, sehen wir keine 10m weit. Dichter Nebel lässt den Verkehr stocken und auf der Passhöhe liegt sogar Schnee. Darauf haben wir so gar keine Lust. Wir entscheiden um, auf nach Salinas.
Erfolgsstory - Dort übernachten wir direkt bei einer Käserei, was am frühen Morgen besonders interessant ist. Die umliegenden Kleinbauern bringen ihre Milch mit Hilfe von Lamas, Eseln und Pferden zur Kooperative. Die meisten haben nicht mehr, als ein paar Liter und oft behalten sie einen Teil für sich selbst zurück. Aber gemeinsam kommt ganz schön etwas zusammen. Viele holen sich «ihren Käse» gleich ab und nach dem Frühstück schlagen auch wir zu. Der Käse mundet fast wie zu Hause und ist bezahlbar.
Die Produkte aus Salinas, neben Käse auch getrocknete Pilze, Schokolade und Artikel aus Wolle werden unter dem Label «Salinertios» im ganzen Land verkauft und am Wocheneden fallen nicht wenige Ecuadorianer in dem kleinen Dorf ein. Eine Erfolgsgeschichte, denn Salinas gehörte noch bis in die 70er Jahre zu einer der ärmsten Gegenden und verzeichnete eine besonders hohe Kindersterblichkeit. Unter anderem Dank Schweizer Entwicklungsarbeit (eine Käser vermittelte das Wissen zur Käseherstellung) gelang der Schritt in die Zukunft.
Wir geben dem Chimborazo eine zweite Chance, entdecken auch die Küstengebiete und schauen nach, wieso die Menschen in einer bestimmten Gegend soo alt werden. Im zweiten Bericht aus Ecuador. In Kürze hier zu lesen.
Marcel, Olga & Nikita
2016-01-12 21:52:35
Es ist wunderschön solche Fotos zu sehen - Farben, Sonne, blauer Himmel - wenns bei uns nur grau und trüb ist und es pisst und pisst...
ganz liebe Grüsse paps und Co
Rene Mehmann
2016-01-13 10:25:02
Liebe Sabine, lieber Andy - Welch erfrischender Bericht mit überraschenden neuen Erkenntissen und tollen Fotos! Ihr überrascht uns immer wieder mit Euren gehaltvollen Reportagen. Ich wusst wirklich nicht, dass man auf dem Aequator nicht mit geschlossenen Augen marschieren kann. Auch dass dieser Ulkan soweit ins Erdinnere reicht war mir neu. Fasziniert las ich auch über die Schweizer Entwicklunghshilfen die für die arme Bevölkerung Mehrwert schaffen kann. Auch freute ich mich als Neuenhofer über diese Begegnung mit Schweizer. Ja ihr geniesst das Leben in vollen Zügen und so soll es auch sein. Geniesst das Reisen, es öffnet neue Perspektiven. Wir haben auch ein Oberrohrdorfer-Paar entdeckt, dass mit einer braunen Zora in Afrika unterwegs sein wird. unter www.2.swiss@jimdo.com wollen sie ebenfalls über das Afrika-Abenteuer berichten. Merci vehlmohl für Eure Berichte, sie sind so wundervoll. Liebschti Grüss Rene Mehmann/Papi