Natur und Kultur
Noch mehr Kaffee - Nach einigen Tagen lassen wir den Stadtrummel hinter uns und fahren in Richtung Manizales. Dort flimmern auf grossen Anzeigetafeln neben den aktuellen Börsenkursen auch die Kaffeepreise - für ein Pfund ungerösteter Bohnen gibt es 1.09 Dollar. Es ist offensichtlich, wir sind in der Kaffeezone Kolumbiens und das grüne Gold ist hier die wichtigste Einnahmequelle.Voller Geschichten - Die Hacienda Venecia, wo wir stehen können, ist eine der ältesten Kaffee-Fincas Kolumbiens. Die lange Geschichte lässt sich in der wunderschön restaurierten Villa, wo man auch übernachten könnte, nacherleben. Jede Nische erzählt ihre Geschichte und ist voller Atmosphäre. Kaffeetouren liessen sich auch mitmachen - wir bewahren lieber unserer Erfahrung bei William (siehe Bericht «Colombia - Hin und Her»).
Höhenrausch - Weiter auf der Piste. Sie führt uns durch einsame Gegenden, voller wuchernder Pflanzen. Schirmgrosse Blätter wechseln sich mit knallbunten Blüten ab. Zora klettert etwas rauchend, aber ohne zu Murren, in die einsamen Höhen und schliesslich erreichen wir die «Termales del Ruiz» auf 3500m. Nebel hüllt uns ein und der Wind pfeifft um die Ohren, da «wäre» ein Bad perfekt. Leider nur «wäre», die Badestädte wird umfassend renoviert und inmitten von Bauschutt, Arbeitenden und lärmenden Maschinen fällt unser Vorhaben sprichwörtlich ins Wasser.
Weiter gehts im «Parque los Nevados»: Hier fahren wir weiter in die Höhe und bestaunen die schöne Flora. Im Visitor Center freut man sich über unseren Besuch und wir schlürfen mit den sich langweilenden und frierenden Angestellten süssen Coca-Tee. Der «Volcano del Ruiz» ist aktiv, der Park eigentlich geschlossen. Für viel Geld könnten wir dennoch die paar Kilometer bis zur Lagune fahren, zu Fuss ist es unmöglich… Unerklärlich. Egal, das Wetter ist sowieso garstig und so fahren wir zurück in tiefere Lagen.
Zeitraub - In der Toyota-Garage in Pereira brauchen wir Nerven und lernen ein weiteres Mal «Lebenszeiträuber», wie sie unser Lieblingsautor Andreas Altmann so schön bezeichnet, kennen. Mehreren Mitarbeitern schildern wir unser Anliegen, nur um es der nächsten Person wieder von vorne zu erklären. Doch schliesslich steht der Mechaniker vor uns und trotz später Stunde soll es noch klappen. Als wir die Garage verlassen ist es stockdunkel und endlich können auch all die unbeteiligten Mitarbeiterinnen Feierabend machen. Zora hat einen Service und vorne neue Bremsbeläge erhalten - und ist für weitere Kilometer gerüstet. Vamos.
Reiseleben - Salento, das kleine touristische Städtchen begeistert uns erst nicht sonderlich. Erst beim ausserhalb liegenden «Hostal Serrana» ändern wir unsere Meinung. Die Sicht über die sanft geschwungenen Hügel ist ebenso herrlich, wie das im Preis beinhaltete Frühstück - am Morgen einfach hin sitzen zu können, fühlt sich wie Ferien an!
Aber ihr habt doch ständig Ferien denkt ihr euch nun bestimmt. Bevor wir los gereist sind, konnten wir uns dies auch kaum vorstellen, aber unsere Tage sind meist prall gefüllt! Das Vorwärtskommen braucht ebenso Zeit wie Routenplanung, Einkaufen, Kochen, Website unterhalten usw. Aber natürlich, wir wollen uns nicht beklagen und vermissen unser «8-17 Uhr-Leben» gar nicht. Es ist nur so, «dass unsere Seelen, manchmal unsere Körper wieder einholen müssen», wie dies Veronika, die wir leider schon länger nicht mehr getroffen haben, deren Berichte wir aber fleissig verfolgen, so treffend formulierte.
Die Zeit, die Zeit - Wir verweilen also, toben mit der aufgeweckten Keira umher, unterhalten uns mit ihren Eltern Marissa und Mike (aus Australien, die aber in New Mexiko leben), und gehen mit Caroline und Miles (Norwegen/Neuseeland) im «Brunch» essen. Wir spielen mit Valeska, Mario und Mariola (Schweiz, Holland) «Tejo», den bierlastigen, lauten, Nationalsport Kolumbiens. Ähnlich wie beim Bocchia wird versucht die zylinderförmigen Gewichte auf einen entfernten Sandhügel zu werfen. Trifft man die kleinen, mit Schiesspulver gefüllten Papiertütchen, knallt es!
Weiter machen wir Zora südamerika-tauglich (ein bisschen mehr Sichtschutz kann nicht schaden), spazieren ins Städtchen, trinken köstlichen Kaffee bei Jesus Martin und nehmen Spanisch-Stunden (Muchas gracias Marcia!). Flugs vergehen neun Tage und als es ans Bezahlen geht, können wir kaum glauben solange hier gewesen zu sein! Wir haben wahrlich die Zeit vergessen. So lange waren wir, abgesehen von Aufenthalten in gemieteten Häusern, noch nie an einem Ort. Wir sind mehr als gut erholt für weitere Erlebnisse.
Im Palmen-Tal - Nach einer Wanderung im touristischen «Valle de Cocora» verlassen wir den Ort über ein ungeteertes Strässchen - via Toche fahren wir nach Ibagué. Die Häuser werden immer weniger und die Kurven immer zahlreicher. Wir schrauben uns in die Höhe, fantastische Ausblicke begleiten uns. Bei genauerem Hinschauen erkennen wir, dass der Wald in der Ferne aus lauter Palmen besteht. Die Cocora-Palme ist die höchste ihrer Art und hier finden sie sich zu Tausenden! So muss es wohl ausgesehen haben, bevor sie die Menschen im «Valle de Cocora» zwecks Viehzucht auf ein Minimum reduziert haben. Das hier ist das richtige Cocora Tal.
Überall winken uns die Menschen zu, es ist ruhig und einfach schön hier. Wir stoppen bei einem Kiesplatz neben der Strasse und geniessen ein eindrückliches Licht und Wolkenspiel - und später eine stille Nacht.
Beinahe einen ganzen weiteren Tag brauchen wir, bis wir aus dem Tal draussen sind. Absolvieren wieder Kurve um Kurve, durchqueren stockdunkle Tunnel und fahren an Bananen- und Kaffeeplantagen vorbei. Die Höhe verlassend wird es immer wärmer und wir sind froh, als wir endlich wieder Teer erreichen, unser Ziel ist Neiva.
Vielfalt - Kaum zu glauben, dass sich einige wenige Kilometer von Neiva eine Wüste befindet. Nur die aufkommende Hitze lässt dies möglich erscheinen. Die Landschaft ändert sich, es wird immer trockener uns schliesslich sind wir da, in der Tatacoa Wüste. Ganz so schwierig zugänglich wie eine «richtige» Wüste ist diese hier nicht und als wir ankommen, sind wir wenig erfreut. Wieder einmal ist Samstagnacht, was unzählige Einheimische zu einem kleinen Wüstenabenteuer lockt… Wir fahren tiefer hinein und finden unglaublicherweise einen ruhigen Platz.
In der Nacht regnet es ein paar Tropfen und der nächste Tag ist bewölkt, was eine angenehme Wanderung ermöglicht. Genau nach unserem Wunsch klart es gegen Abend auf und die untergehende Sonne lässt das rote Gestein erstrahlen.
Für einen ausgeglichenen Mix suchen wir nach diesen landschaftlichen Highlights ein paar «kulturelle».
Im Untergrund - Im «Parque Nacional Arqueologico Tierradentro» werden wir fündig. Nachdem wir eine unwegsame Fahrt entlang von Klippen hinter uns gebracht haben, steigen wir steile Treppen hinab.
Ein nicht mehr existierendes Urvolk Kolumbiens, das um das 7.-9. Jh. gelebt haben soll, legte tief ins Vulkangestein geschlagene, aufwändig gestaltete Gräber an. Diese beherbergten die Asche und Überreste eines Volkes, das hochentwickelt war und über Sinn für Ästhetik verfügte. Die Wände der Kammern zieren geheimnisvolle Muster. Ein jedes der Gräber ist anders. Absolut faszinierend!
Wieder durchqueren wir die grosse Baustelle. Ein Hang ist abgerutscht und hat die darunter liegende Strasse verschüttet. Weit oben arbeiten Bagger und immer wieder fallen Steine herunter. Eine der Frauen, die dort mehr schlecht als recht ihr Stopp-Schild dreht, antwortet auf unsere Frage, ob wir denn hier durchfahren können, mit «muy muy rapido». Aha, sehr sehr schnell, dann geht’s!
Noch mehr Kultur - Wir nehmen die paar Kilometer bis San Augustin unter die Räder, wo noch mehr Steinskulpturen auf uns warten. San Augustin wurde von einem Volk bewohnt, das seine Toten vergrub und mit Skulpturen ehrte. Hunderte der monumentalen Statuen in menschen- oder tierähnlicher Form wurden in der hügeligen Landschaft gefunden. Über das Volk, das zwischen dem 6. und 14. Jh. gelebt haben soll, weiss man ebenso wenig, wie über die ehemaligen Bewohner von Tierradentro.
Sollen die unterschiedliche Art der Gräber die unterschiedlichen Stellungen in der Gesellschaft widerspiegeln? Soll die Symbolik der Gräber in das nächste Leben übertragen werden, wird der Tod als Übergang angesehen? Sollen die unterschiedlichen Körperhaltungen (abwehrend, empfangend usw) symbolisieren, wie auf das nächste Leben zugegangen wird? Manchmal waren mehrere Personen zusammen in einem Grab, waren es Familiengräber? Fragen über Fragen, sie werden vermutlich unbeantwortet bleiben.
Mit einem weinenden Auge - Ein Stopp in Macoa, das als Tor in den Amazonas gilt und weiter via der «Trampolin de la muerte», die uns gar nicht so abenteuerlich erscheint, zur Laguna de la Cocha. Die Häuser mit den Geranien davor erinnert an die Schweiz. Die Gegend bleibt uns aber besonders kulinarisch in Erinnerung. Rhabarber-Kompott mit Milchreis und «Trucha ahumuado» (geräucherte Forelle) sorgen für Abwechslung in unserem Speiseplan.
Wir sind der Grenze schon ganz nah, können uns aber noch nicht trennen von diesem schönen Land. Wir lassen das hässliche Pasto hinter uns und vertrödeln einen Sonntag in Chachagüi. Im Grenzort Ipiales investieren wir unsere Pesos dieses Mal nicht in Diesel, denn dieser kostet in Ecuador nur einen Bruchteil, sondern in Lebensmittel, welche im nächsten Land nicht günstiger sein werden. Das wissen natürlich auch die Ecuadorianer und der Grenzverkehr floriert. Unzählige kommen zum Einkaufen, Pneu-Wechsel undundund.
Wir schauen uns die Kirche «Las Lajas» an und teilen unseren Übernachtungsplatz mit einem Lama. Dann gilt es ernst, wir fahren zur Grenze. Tschüss Kolumbien, wir werden dich vermissen!
Ob uns der Start im neuen Land trotz Wehmut gelingt, ihr könnt es bald nachlesen.
Lisbeth & Leo Knecht
2015-12-03 02:35:47
Liebe Sabine und Andy. Danke, dass wir nochmals mit eurem Bericht und den tollen Fotos durch Kolumbien mitreisen durften. Habt es wunderbar beschrieben. War eine Freude es zu lesen.
Passt weiterhin auf euch auf. Liebe Grüsse Lisbeth und Leo
rene mehmann
2015-12-04 14:02:01
Hallo Welch spannender Bericht, welch schöne Fotos! Herzlichen Dank für diesen faszinierenden Blick nach Südamerika. Besonders spannend fand ich die Schilderungen über diese unbekannte einheimische Bevölkerung. Die Grabkammern und Riten sind faszinierend. Auch die stimmungsvollen Fincas sind sehr ansprechend und machen uns gwundrig. Aber Eure Fotos von den verschiedenen Stimmungen sind der Hammer. Herzlichen Dank. Gute Reise, wir vermissen Euch und reisen gerne weiter mit. Wenn auch nur im Geiste. Rene Mehmann/Papi
Veronika und Michael
2015-12-18 16:57:36
Hey Ihr Zwei!
Wo habt Ihr an der Laguna de la Cocha das Rhabarber-Kompott gefunden?
Neid!!!
Wir lechzen schon sein Ewigkeiten nach Rhabarber-Marmelade, glauben aber, erst im chilenischen Teil Patagoniens fuendig zu werden.
Bloede bloss, dass Ihr beiden immer noch hinter uns seid, sonst koenntet Ihr uns ab und zu vorab ueber derartige kulinarische Highlights informieren.
Beeilt Euch mal, dass Ihr wieder vor uns seid -)
Liebe Gruesse von
Veronika und Michael
2015-12-23 19:27:44
Danke Lisbeth und Leo! Ihr könnt ja auch mitreden))
Bis bald wieder!
Sabine & Andy
2015-12-23 19:28:21
@ Ursi: Lieben Dank!!
Sabine & Andy
2015-12-23 19:29:55
Lieber Papi, vielen lieben Dank für deine netten Worte! Wir hoffen fest, dass wir bald wieder alle zusammen unterwegs sein können. Bis bald
Sabine & Andy
2015-12-23 19:30:42
@ Sissi und Günther: Dankeschöööön!!!
Sabine & Andy
2015-12-23 19:35:32
Liebe Veronika, lieber Michael
uuh, wir haben Rhabarber auch soo gerne, in allen Variationen! Haben das Kompott in dem Schweizer Restaurant/Hotel an der Lagune gefunden. Wir hoffen auch, dass wir euch bald einholen, nicht nur um kulinarische Highlights auszutauschen, sondern um euch auch endlich wieder einmal zu sehen!
Liebe Grüsse aus La Paz
S&A
Rahel
2016-01-05 21:48:04
Juhu ehr 2
Do bechonnt mer eifach emmer weder Fernweh... Gniesseds e volle Zög!
Ganz liebi Grüess för eimol us Müllige,
Rahel =)
2016-01-09 19:19:58
Liebi Rahel,
danke vell mol för diin Kommentar! Fernweh esch doch schön) Danke, das mache mer. Au ganz e gueti Ziit.
Sabine